Der Begriff „Yezidi“ oder „Ezidai“, „Ezda“ wie er
von den Angehörigen der Religionsgemeinschaft ausgesprochen wird, kommt aus dem Kurdischen und meint „Der, der mich
erschaffen hat“ also der Schöpfer und Gott.
Ich werde im weitern den Begriff Yezidi benutzen, weil er seit einigen hundert Jahren
benutzt wird und weil er die Öffentlichkeit am geläufigsten ist. Yezidentum ist der Glaube an einer Einheit und einem Gott,
also ein monotheistischer Glaube. Gott wird bei den Yeziden „Xweda“ (Khuda) genannt, was so viel wie „Der,
der sich selbst erschaffen hat“ bedeutet.
Gott folgen die sieben Erzengel, die ebenfalls im Judentum, Christentum und im Islam
erwähnt werden. Diese Engel werden in die Gebete der Yeziden miteinbezogen. Oberhaupt der sieben Engel ist Tausî Melek, der
Engel Pfau, der von Gott mit der Aufsicht über die Erde beauftragt worden ist, und der im Besonderen die Yeziden schützen
soll. Neben Tausî Melek, dem Engel Pfau, gibt es noch andere heilige: Sheihk Adî, Sheihk Assin, Sheihk Schems, Sheihk O Bekir,
Sheihk Fakhradin, Sheihk Sijadîn. Sonne und Mond sind bei den Yeziden heilig.
Der Engel Sheihk Schems symbolisiert die Sonne und Sheihk Assin (Sin) symbolisiert den
Mond. Die Yeziden glauben dass die beiden natürlichen Elemente das Licht Gottes darstellen. Jeder Yezide ist dazu verpflichtet,
drei Tage im Jahr (Dezember) zu fasten, als Zeichen der Dankbarkeit für Erschaffung der Erde und zur Erinnerung an Gott und
den yezidischen Glauben. Außerdem muss jeder Yezide ein Mal im Leben den heiligen Tempel „Lalish a Nuranî “ im
Südkurdistan zu besuchen. Danke für lesen :)
Yezidische Gebote
Es gibt 99 Gebote hier sind einige davon die von Sheihk Adî aufgestellt
worden sind:
1) Es ist unmöglich für einen Yeziden, in die Armee zu gehen.
2) Jeder Yezide muss 3Mal im Jahr - im April, September und November -die Symbole des
Tausî Meleks besuchen.
3) Jeder Yezide muss das Heiligtum Lalish ein Mal im Jahr besuchen. Er soll vom 6.Okt-13.Okt
das Heiligtum des Sheikh Adi´s besuchen.
4) Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang muss ein Yezide zu einem Platz gehen, wo keine
Muslims, Christen und Juden sich befinden, und er soll beten.
5) Jeder Yezide muss die Hand seines/r Bruder/Schwesters für das Leben nach dem Tod,
Biraye Axiretê, des Sheikhs und Pirs küssen.
6) Wenn ein Yezide stirbt, dann muss der Birayê Axirete, ein Sheikh, ein Pir oder ein
Qewal anwesend sein der für ihm um Vergebung bittet.
7) Jeder Yezide sollte Erde vom Grab des Sheikh Adi bei sich haben das ihn beschützt.
8) Wenn ein Yezide fastet, dann soll er zu Hause fasten. Jeden Morgen vor dem Fasten
muss der Yezide zu einem Sheikh oder Pir gehen, und bevor er abends sein Fasten bricht muss er sie ebenfalls besuchen. Bevor
er mit dem Essen beginnt, soll der Fastenden zwei oder drei Gläser vom heiligen Wein des Pirs oder Sheikhs trinken.
10) Jeder Yezide muss eine/n Bruder/Schwester für den Leben nach dem Tod Birayê Axirete
haben.
11) Yeziden sollten keine Kleidung tragen die eine blaue Farbe hat.
12) Eine Yezide sollte nicht mit einem Löffel eines Andersgläubigen essen ebenfalls soll
ein Yezide nicht aus dem Glas eines Christen, Muslim oder Juden trinken.
13) Ein Yezide darf nicht Fisch, Bohnen, Kohl oder Lettich essen. Dort wo Lettich wächst,
darf ein Yezide nicht wohnen. Es gibt noch ein weiters Dokument von 1908, dass von Ismail Beg dem Prinzen von Yeziden, verfasst
wurde, und das er den Yeziden in Armenien geschickt hat. Dazu ist anzumerken, dass das vorherige und noch folgende Dokumente
nicht unbedingt realitätsgetreu den yezidischen Glauben wiedergeben. Es sind aber wichtige Dokumente der yezidischen Geschichte,
die ohne viel Kommentar wiedergegeben werden. Das Dokument von Ismail Beg, dem Sohn Ebdî Beg, besagt folgendes:
1) Wir glauben an einen Gott, den Schöpfer des Himmels, der Erde und allen Lebens.
2) Unser Prophet ist Êzîd.
3) Die Yeziden haben kein Gebetbuch; das Wort Gottes wird vom Vater an den Sohn weitergegeben.
Dies wird in den Erzählungen des Gyliyê Azim gesagt.
4) Es ist den Yeziden verboten, eine Beziehung mit Personen einer anderen Nation (Rasse,
Religion) einzugehen. Wer sich nicht daran hält, gehört nicht mehr dieser Religion an.
5) Die Yeziden müssen die Menschen andrer Nationen, anderer Herkunft, anderer Rasse und
andreren Glaubens mit respekt behandeln.
6) Jeder Yezide muss nach unseren Regeln Gott dienen. Tut er dies nicht, dann folgt er
nicht den Weg Gottes.
7) Ein Yezide darf nicht die Frau eines anderen entführen. Vielmehr soll er dem oder
der Entführten helfen und Schutz gewähren.
8) Die Sheikhs der Yeziden sind in drei Klans eingeteilt: ~ Sheikh Hesen ~ Sheikh Schems
~ Sheikh Abubekir. Jeder Klan darf nur Angehörige aus seiner eigenen Sheikh-gruppe heiraten.
9) Die Pirs sind in zwei Gruppen eingeteilt: ~ Pire Hosmamama ~ Pire Arafata und die
andren wie Pire Omarkhale usw.jeder Angehörige einer Pir-gruppe soll nur Mitglieder seiner Gruppe heiraten.
10) Mitgliedern dre Kaste der Murids (VOLK) ist es nicht erlaubt Mitglieder aus der Kaste
des Sheikhs oder Pirs zu heiraten. Eine solche Heirat bedeutet Ausschluß aus der Religionsgemeinschaft.
11) Gott hat die Welt und alle lebenden Kreaturen in sechs Tagen erschaffen am siebten
Tag ruht er. Deswegen sollen die Yeziden an sechs Tagen arbeiten und am siebten Tag ruhen.
12) Kein Yezide sollte sich scheiden lassen.Außer, wenn durch drei Zeugen eine Untreue
bestätigt werden kann.
13) Der Heiratspreis einer Frau darf nicht höher als 100 Rubel und der einer Witwe als
45 Rubel sein.
14) Den Yeziden ist es nicht erlaubt Geld gegen Zinsen zu verliehen,
15) Ein Yezide darf nicht am MIttwochen baden oder Geschlechtsverkehr haben.
16) Wucher ist nicht erlaubt.
17) Ein yezidischer Priester muss ein Bart tragen. Wenn er keine Bart trägt so sind die
Murids nicht verpflichtet in anzuerkennen oder ihm die Hand zu küssen.
18) Diebstahl ist strengstens verboten. Diebe müssen bestraft werde.
19) Ein Yezide muss respektvoll und behutsam mit Menschen anderer Nationen und Herkunft
umgehen. Er darf nicht hinter dem Eigentum anderer hersein. Wer diese Regel nicht einhält verlässt den Weg Gottes.
20) Ein Yezide soll die Gesetzt des Landes befolgen, in dem er sich befindet. 21) In
jedem yeziden-Dorf muss ein Chawush oder Mijewir (Hütter der Religion) sein, welcher beim Tod eines Yeziden sieben Tage fastet
und die Qewls (heilige Gedichte) auf den Grab zitiert.
22) In jedem yezidschen Dorf sollen drei Personen die Einhaltunt der Regeln bewachen.
23) Ein Yezide darf keine falschen Schwüre leisten. Diejenigen die das tun sollen bestraft
werden. ICH (ISMAIL BEG) erlauben den Yeziden ihre Gebet in der Sprache und Alphabet anderer Nation zu schreiben, bis sie
ein eigens Alphabet haben.
24) Die Yeziden müssen Schulen aufbauen und ihre KInder in der Wissenschaft und den Sprachen
ausbilden. Mit dem Erscheinen Sheikhs Adis im 12.Jh hat sich nicht nur der Inhalt der Religion verändert, sondern auch die
soziale Org. der Gemeinschaft der Yeziden. Sheikh Adi etablierte in den yezidischen Gesellschaft ein neues Kasten-system,
dass das Gefüge der Gemeinschaft veränderte und die Beziehung der einzelnen Gruppen untereinander neu definierte. Dieses neue
System trug den Namen "Sad û Had"-->> "Regeln und Ordnung". Die Regeln der Grundsetzt die von Sad û Had aufgestellt
wurden, lauten folgendermaßen :
1) Jede Person hat einen bestimmten Platz in der sozialen Hierarchie.
2) Jedes Mitglied der Gemeinschaft ist gegenüber den Mitgliedern der eigenen Gruppe und
gegenüber den religiösen Führer Sheikh, Pir, Mir zu Loyalität verpflichtet.
3) Die Fürstenfamilie ist umunstritten und verfügt über um umstrenkte Macht. Ihre Beziehungen
zu den anderen Kastengruppen sind geregelt.
4) Die Rolle und Position eines Mitglieds der Gemeinschaft sind festgelegt.
5) Mitglied der Gemeinschaft der Yeziden kann man allein durch Geburt werden.
6) Ein wechsel von der Gruppe Sheilhs, Pirs oder Murids in eine andere Gruppe ist nicht
möglich.
7) Die Pflichten und Aufgaben innerhalb der Gruppe, wie z.B. die der Sheikhs sind genau
definiert.
8) Jeder Person muss einen Pir und einen Sheikh haben. Sollte einmal kein Mitglied einer
Sheikh- oder Pir- Familie in der Region sein, so kann man vorübergehend einen anderen Sheikh oder Pir für sich nehmen, bis
man wieder die Möglichkeit hat, die Sheikh oder Pir- Familie, die einem zugeordnet wurde zu übernehmen.
9) Die Mitglieder der Gemeinschaft sollen miteinadern und innerhalb der eigenen
Gruppe solidarisch sein.
K.Miro & Jawdat baadre
Die Yeziden
Eine Fragestellung oder eine Realität
Zur Lebenssituation von yezidischen
Jugendlichen und der Erziehung der yezidischen Söhne.
„Ich will frei sein, und
bin als dann frei, so bin ich gefangen in der Freiheit meiner Realität und meines Schicksals...“
S. Berxwedan
Wie
sich die Geschichte eines Volkes entwickelt hängt von vielen Faktoren ab. Eines der wichtigsten Faktoren ist es, Informationen
über dieses Volk zu haben und das Wissen an diese weiter zu geben. Es ist von wesentlicher Bedeutung, ob diese Gesellschaft
ihre Traditionen und Sitten im Verborgenen praktiziert oder damit an die Öffentlichkeit geht.
I. Das Yezidentum
und die Yeziden
1.1 Definition
Für diese Religionsgemeinschaft gibt es sowohl innerhalb, als auch außerhalb
der Gemeinschaft viele Namensbegriffe. Êzîdî, Yêzîdî, Ezdayî, Azdayî, Êzdî oder auch Îzîdî. Alle diese Worte finden ihre Erklärung
in einer Begriffsgebung, bzw. in einem Ursprung. „Der, der mich erschaffen hat“. Im weiteren Verlauf dieser Hausarbeit
werden wir den Begriff „Êzîdî“, bzw. den in der deutschen Sprache geläufigen Begriff „Yezidi“ benutzen.
1.2
Ursprung und Herkunft
Eine allgemeingültige Aussage über die Herkunft der Yeziden gibt es zum Heutigen Zeitpunkt nicht.
Auf Grund der Splittung der yezidischen Gesellschaft in drei wesentliche Gruppierungen (Lager) und einigen kleineren Splittergruppen
werden verschiedene Theorien über die Herkunft dieser Gesellschaft vertreten. Jeder dieser Gruppierungen ist der Auffassung,
das ihre Theorie bezüglich der Herkunft unserer Religion die richtige ist. Was aber sicher ist, ist die Tatschache, das es
Elementare Verbindungen zu anderen Religionen gibt und das die yezidische Religionsgemeinschaft auf Grund ihrer Lebenssituation
im Laufe der Zeit Grundelemente anderer Religionen übernommen hat.
Im Einzelnen will ich hier Gemeinsamkeiten und Verbindungen
zwischen der yezidischen und anderen Religionsgemeinschaften darstellen.
Auf Grund dessen, das es verschiedene Theorien
aber kein Schriftmaterial über die Herkunft der Yeziden und der Entstehung der eigentlichen yezidischen Religion gibt ist
es schwierig, genau zu bestimmen wie alt diese Religionsgemeinschaft nun wirklich ist. Einige Hardliner klammern sich an die
Zeit des dem Sufismus angehörenden Reformators Sheik Adi bin Musafir (Mitte 11.- Mitte 12. Jhdt.), zu dem ich im Nachfolgenden
noch ausführlicher Berichten werde. Andere gehen bis zur Zeit der Sumerer (6000-7000 Jahre v. Ch.) zurück und suchen die Verbindung
zu Nabo, dem Gott der Sumerer. Dem irakischen Wissenschaftler Georg Habib zu Folge war die alte Religion des Iran und der
Babylonier die ursprüngliche der Yeziden. Die Verbindung liegt unter anderem darin, das Tausi Melek (Engel Pfau), der Oberste
aller yezidischen Engel, die gleichen Charakteren aufweist, wie Nabo. Genau so wie Nabo, dem Sohn von Murduck, der wiederum
Herr aller Götter war, hatte auch Tausi Melek die Macht über Leben und Tod, Gut und Böse auf der Erde verliehen bekommen.
Eine weitere Verbindung, so Habib gäbe es beim Namen „Tausi Melek“. Der Name soll aus dem aramäischen stammen
und zur Zeit der Herrschaft der Sassaniden über Mesopotamien von den Yeziden für den Namen Nabos eingesetzt worden sein, um
die Religion zu verbergen und so der Verfolgung zu entgehen. Im Bezug auf die Verbindung der Yeziden zu den Sumerern ist auch
zu beachten, das der Tempel Nabos in der Stadt Nimrod, in der Nähe des yezidischen Tempels Lalis stand und sein Haupttempel
in Bersippa (am Euphrats) den Namen „Izîdî“ trug.
Weiter gibt es Verbindungen zwischen den Yeziden und
den Yarasan (Ahl-i Haqq) aus dem Iran. Auch hier steht in der Verbindung die Verehrung Tausi Meleks im Vordergrund. In beiden
Religionssystemen ist Tausi Melek der Oberste der von den Anhängern verehrten sieben Engel und sie glauben an einen einzigen
Gott. Vermutlich auf den Kult der Wassergötter zurück zu führen sind auch die zwei heiligen Wasserquellen, die es auch bei
den Yarasan gibt. Hierbei handelt es sich um „Kanya Spî“ und „Zimzim“, die bei den Yarasan aber andere
kurdische Namen haben. Weitere Ähnlichkeiten gibt es da beispielsweise bei der Erschaffungstheorie der Erde. So glauben beide
Religionen an die Perlen-Theorie und das die Erde, laut Sagen, auf den Hörnern eines Bullen oder dem Buckel eines Wales lag. Bei
der Schöpfungstheorie glauben die „Ahl-i Haqq“ oder auch Yarasan das Adam als erster Mensch von Gott erschaffen
und ihm die göttliche Macht verliehen wurde. Ähnlich ist es auch bei den Yeziden. So habe Gott als nur das Nichts existierte,
aus dem Nichts eine Perle und durch sein Licht daraus die vier Engel erschaffen, dursch deren Offenbarung später aus der flüssigen
eine feste Masse (die Erde) entstand. Diese vier Engel waren Gabriel, Michael, Israfil und Esrafil.
Viele Elemente,
oder gar der Ursprung der yezidischen Religion sollen, so eine weitere Hypothese, von der Mitras-Religion abstammen. Ähnlichkeiten
gibt es da beispielsweise bei dem Namen der Yeziden, der Yazata, dem im alten Iran für die Mitras-Religion verwandten Begriff
ähnelt. Weiter ist die Sonne, die bei den Yeziden von Sheikh Schems symbolisiert wird in beiden
Religionen heilig. Charakteristisch bei der yezidischen Feier für „Izîd“ und bei der Mitrasfeier zu Geburtstag
Mithras, was zur gleichen Zeit stattfindet ist die Zündung des Feuers. Genau so, wie die Anhänger der Mitras-Religion zu Ehren
Mithras, opfern auch die Yeziden im heiligen Lalis zu Ehren Sheikh Schems einen Bullen bei den Herbstfeierlichkeiten. Auch
wenn der Name Mithras in der yezidischen Religion nicht erwähnt wird muss davon ausgegangen werden, das die Verbindungen nicht
nur regional bedingt sind. So ist der Name Mithras erstmalig im Norden Mesopotamiens bei den Mitani entdeckt worden und es
innerhalb des yezidischen Stammes der Xalti, so Dr. Kizilhan, den Clan der Matini gab. Eine Theorie kann aber im Bezug auf
die Erwähnung, bzw. Nichterwähnung des Namen Mithras auch sein, das im Laufe der Jahrhunderte landen Unterdrückung der Name
Sheikh Schems´ für den Namen Mithras´ eingesetzt wurde. Das ist eine Theorie, von der auch Donald A. Mackenzic ausgeht. Andere
Beobachter schlossen aus den Zeremonien der Yeziden das der Ursprung und die Herkunft bei den Assyrern läge, weil Scheikh
Schems bei den Yeziden genau so wie der assyrische Shamash die Sonne symbolisiert.
Eine unter dem yezidischen Volk
stark verbreitete Theorie ist die der Verbindung zum Zoroathrismus, der durch die Reform Zarathustras entstand. Man ist sich
innerhalb der Gesellschaft nur nicht einig, welche Religion zu erst da war. Die Yeziden oder die Zoroathustrier. Indizien
für Gemeinsamkeiten gibt es viele, wie beispielsweise die von den Yeziden gesprochene Sprache (vgl. Kizilhan 1997). Als viele
Zarathustrier nach den arabischen Eroberungen aus Persien flüchteten, wurden die, die in den Norden Emigrierten „Yezdan
Perest“, also Gottesanbeter genannt, was wiederum die Verbindung über den Namen der Yeziden darstellt. So sollen die
Yeziden ihren Ursprung im alten Persien gehabt und sich erst durch Flucht in den anderen Regionen Kurdistans nieder gelassen
haben.
Einer ebenfalls sehr wichtigen Theorie nach soll der Name der Yeziden früher Schemsani, also Sonnenanbeter gewesen
und erst durch die Reform des Sheikh Adi bin Mousafir, wodurch ein neues System eingeführt wurde, geändert worden sein.
1.3.
Die Struktur der Religion und der Gesellschaft
1.3.1. Das Kastensystem
Die yezidische Gesellschaft unterteilt
sich seit Scheich Adi in drei streng endogame Kasten. Die Scheichs stellen die oberste Kaste und sollen, so die Yeziden, von
den Engeln abstammen die die Yeziden verehren (vgl. Bulut 2000; Nippe 2002). Innerhalb der Kaste unterteilen sich die Scheichs
nochmals in Sieben Unterkasten, die sich wiederum nach drei endogamen Gruppen ausrichten. Den Adani, Schemsani und Khatani
(Xatani). In dieser Reihenfolge ist auch die Führungsstellung dieser Unterkasten zu sehen. Informationen nach, die ich aus
verschiedenen Gesprächen mit yezidischen Gelehrten habe, sollen die Adani Scheichs Nachfahren der Familie von Scheich Adi
und die Schemsani Scheichs Nachfahren der Familie von Scheich Schems, dem damaligen Oberhaupt der Yeziden vor Scheich Adi
sein. Die Khatani Scheichs wiederum sollen Begleiter und Freunde von Scheich Adi gewesen sein. Dafür spricht auch, das die
Adani Scheichs auch heute noch die höchste religiöse Autoritat innerhalb der Gesellschaft vertreten. Es darf auch nur innerhalb
dieser Untergruppen geheiratet werden. Auf die Heiratsregeln werde ich im nachfolgenden Punkt noch näher eingehen, weil diese
meiner Meinung nach heute nicht mehr zeitgerecht sind und eine Gefahr für den Fortbestand der Bevölkerung bedeuten. Die Aufgabe
der Scheichs ist es die Religion an die yezidische Bevölkerung weiter zu geben und die Zeremonien zur "Taufe" der Söhne einzuleiten,
bzw. durch zu führen. Weiter gehört es zu den Aufgaben der Scheichs als Schlichter bei Streitigkeiten innerhalb der Bevölkerung
für "Ordnung und Gerechtigkeit" zu sorgen. Es ist hierbei zu bemerken, das der Scheich, besonders heute, keine richtende,
sondern nur eine schlichtende Funktion hat. Jeder yezidische Clan, es sollen bis zu 60 sein, wird von einer bestimmten Untergruppe
der Scheichs "betreut", während die Mitglieder der Clans dem Scheich gegenüber Abgabepflichtig sind.
In der Hierarchiefolge
der Kasten folgen den Scheichs die Kasten der Pîr, die es als Priester schon vor der Reform Scheich Adis gegeben hat. Die
Pîr waren ursprünglich die religiösen Führer der Yeziden gewesen und haben eigentlich den gleichen Status wie die Scheich.
Durch die Reformen Scheich Adis wurden die Scheichs, vermutlich um die Position der Adi Familie zu stärken, hervor gehoben.
Auch hier ist jeder Yezide verpflichtet einem Pîr, bzw. einer Pîr-Kaste zu folgen. Einer Pîr-Kaste aus dem Grund weil sich
auch die Kaste der Pîr in Neun verschiedene Unterkasten teilt, von denen heute wenigsten schon eine durch die Heiratsregeln
von Aussterben bedroht sind. Als religiöse Führer haben die Pîr die Aufgaben unter anderem, wie auch die Scheichs, die Waschungen
der Toten durch zu führen und die Religion zu vermitteln.
Die Murids (Laien) stellen die größte Gruppe der Yeziden
und das unterste Glied der Hierarchiefolge. Sie sind verpflichtet den Scheichs und den Pîrs zu folgen und haben auf der anderen
Seite das Recht von den Scheichs und den Pîrs in die Religion eingewiesen aber nicht unterwiesen zu werden. Das resultiert
wahrscheinlich auch aus der Situation das man vor ca. 900 Jahren die Angst hatte an Einfluss zu verlieren, wenn zu viele Anhänger
zu viel wussten.
Das sind die Drei Kasten innerhalb der Religion und der Gesellschaft. Weiter gibt es eine streng geprägte
Hierarchiefolge innerhalb der Funktion der Gelehrten und der religiösen Führer. Die Gesamte Hierarchie ist wie nachfolgend
gegliedert.
1. Mîr (Fürst)
Der Mîr stellt heute das absolute Oberhaupt der Yeziden dar. Er steht
in einer hierarchischen Erbfolge und kann bis zu seinem Tod nicht ersetzt werden. Scheich Adi und auch Taus î Melek werden
symbolisiert. Von den Yeziden wird beschrieben. das er seit her das Oberhaupt der Gemeinschaft gewesen ist, was meiner Ansicht
nach nicht der Fall sein kann weil es den Berichten über Scheich Schems, der sich nicht als Mîr bezeichnete und Scheich Adi
nach erst im 13. Jhdt. zu einer Zwangsübernahme der Führung der Gesellschaft durch einen Fürsten kam. Sicher hatten die Yeziden
schon vor Scheich Adi Fürstliche Oberhäupter, es bleibt aber zu bezweifeln, das es die Vorfahren der heutigen Fürstenfamilie
gewesen sind.
2. Pismîr
Die Pismîr sollen, so Kizilhan, Verwandte von Scheich Adi gewesen sein. Sie vertraten
über lange Zeit die Gruppe der Intellektuellen und derer, die die politische Richtung gewiesen haben (vgl. Kizilhan 1997).
Auch hier komme ich zu dem Schluss, das diese gesellschaftliche Stellung bewusst auf verwandte des Scheich Adi übertragen
worden ist, weil man sich damit die macht und die gesellschaftliche Stellung sichern wollte. Wenn das Volk nicht zu viel weiß,
so kann es die Autorität der Oberen nicht in Frage stellen. Und das ist es auch, was hier teilweise bewirkt wurde.
3.
Baba Sheikh (Vater der Scheichs)
Der Baba Sheikh ist einer aus einer Schemsani oder auch Fakhradinfamilie stammende,
von den Führern der Yeziden gewählte und von Mîr bestätigte Instanz. Seine Aufgabe ist es, die einzelnen Priestergruppen zu
unterweisen und das Grab von Scheich Adi, das in der Nähe des Tempel Lalis liegt zu schützen. Jährlich muss er wenigstens
zehn Versammlungen mit den Priestern einberufen, in denen hauptsächlich religiöse Themen behandelt werden sollen. Er lebt
in mehr oder weniger ärmlichen Verhältnissen und erbt nach dem Tod des Mîr dessen Kleidungsstücke. Der Vater der Scheichs
ist somit auch das Oberhaupt aller Scheichs und der Pîrs und ist verpflichtet jedes Jahr 42 Jahre zu fasten. Die Festtage
und Gebete werden von ihm eröffnet, die nach einem bestimmten Ritual durchgeführt werden müssen. Ebenfalls ist er dafür verantwortlich,
das den Yeziden ihre religiösen rechte erklärt werden. Seinen Lebensunterhalt bestreitet Baba Sheikh hauptsächlich von Almosen,
die er auf reisen in benachbarte Dörfer und von Gästen des Heiligtums erhält.
4. Pêsîman
Dieses Wort heißt
soviel wie Gelehrter ersten Ranges und entstammen der Erbfolge des Scheich Hassan, also einem Adani Scheich. Das ist auch
der Grund dafür warum eine Heirat zwischen den Familien der Pêsîmam und Scheich Hassan Scheichs erlaubt ist. Die Scheich Hassan
Scheichs stellten auch eine lange Zeit das Oberhaupt der Yeziden.
5. Scheich
Die Scheichs unterteilen
sich in drei Grundgruppen, den Adani, Schemsani und den Khatani (Xatani). Bei religiösen Fragen müssen die Scheichs den Murids
zur Seite stehen, für die Murids jährlich eine Abgabe entrichten müssen. Die Höhe dieser Abgabe bestimmt der Murid selber.
Es wird als Spende gesehen und darf somit nicht vom Scheich fest gelegt werden. Auf der Anderen Seite ist der Scheich wiederum
verpflichtet dem ihm zugeordneten Murid Hilfe zu gewähren, wenn dieser in Not ist. Jede Scheichkaste hat innerhalb der Gesellschaft
besondere Aufgaben. So sind beispielsweise einige Scheichfamilien dafür verantwortlich, das die Menschen bei bestimmten Krankheiten
durch verschiedene Rituale geheilt werden. Andere wiederum haben die Aufgabe böse Geister zu vertreiben.
6. Pîr
Als
Priester der Yeziden haben die Pîr schon vor Scheich Adi eine bedeutende Stellung innerhalb der Gesellschaft gehabt. Nach
Scheich Adi wurden die Scheichs hervor gehoben, wobei die Pîrkasten ein wenig an gesellschaftlicher Bedeutung verloren. Auch
die Pîr sind für verschiede Rituale, wie beispielsweise Waschung von Toten oder Heilung bei Krankheiten zuständig.
7.
Qewal
Als Erzähler von religiösen Gedichten, Mythen und Sagen gehören die Qewals der Kaste der Murid an. Ihre Aufgabe
besteht unter anderem darin das religiöse Wissen in verbaler Form zu behalten, damit es nicht verloren geht. Sie habe die
Aufgabe von Dorf zu Dorf zu Reisen und die Erzählungen weiter zu geben und eines der sieben Statuen des Taûs î Melek zu zeigen
und dem Volk bei der Umkreisung des Symbol des Engel Pfau (der Statue) das heilige "Berat", aus der Erde von lalis hergestellte
Kügelchen zu verteilen. Diese kleinen Kugeln (Steine), die sich mittlerweile auch außerhalb der Herkunftsgebiete der Yeziden
in den Wohnungen der Yeziden befinden, sollen vor Unheil und Krankheit schützen.
Als die Gefahr bestand, das die Qewals
die ebenfalls endogam lebten aussterben könnten entschieden der Mîr (Fürst) und Baba Sheikh im Jahr 1950 das die Gruppe der
Qewals innerhalb der Muridkaste heiraten dürfen (vgl. Kizilhan 1997).
8. Kocek
Kocek wird auch als der hörende
beschrieben, der aus dem nicht sichtbaren hört. So nimmt er innerhalb der verschiedenen Riten Verbindung mit der unsichtbaren
Welt auf und berichtet von dem Schicksal der Verstorbenen, was auch seine vorrangige Aufgabe ist. In Zeiten des Unheil, so
wird berichtet, hat er auch die Aufgabe Träume zu interpretieren. Er das Recht und die Pflicht bei Abwesenheit des Scheich
und des Pîr diese zu vertreten. Die Koceks treffen mindestens zehn mal im Jahr mit dem Baba Sheikh zusammen um über Pflichten
und Verantwortung der Koceks du diskutieren und entsprechende Aufgaben entgegen zu nehmen. Der Kocek ist verpflichtet 40 Tage
im Sommer und 40 Tage im Winter zu fasten. Kocek kann den mir bisher vorliegenden Informationen zu Folge jeder Yezide werden
der die spirituelle Gabe hat.
9. Feqîr
Das aus dem kurdischen stammende Wort Feqîr bedeutet soviel wie "arm"
oder "mittellos". Einer, der sich entschließt Feqîer zu werden gibt damit bekannt, das er sich allen weltlichen Gütern entsagt
und nur noch Gott dienen will. Nach Dr. Ilhan Kizilhan kann jeder Yezide nach bestimmten Voraussetzungen Feqîr werden. So
muss dieser die Aufnahme beim Mîr und Baba Sheikh beantragen und wird nach bestandener Prüfung in den Rang eines Feqîr gehoben
(vgl. Kizilhan 1997). Nach den mir bisher vorliegenden Informationen muss der Bewerber Angehöriger einer Familie sein, die
diesen Titel bereits trägt. Als Zeichen der Ergebenheit zu Gott muss der Feqîr das Xerqe, ein aus rauer Schafwolle gewebtes
Unterhemd tragen, das sehr rau auf der Haut liegt. Dieses Xerqe darf der Feqîr nur abnehmen, wenn er sich wäscht. Sonnst wird
es bis zum Tod und über den Tod hinaus noch getragen. Der Feqîr wird nach seinem Tod mit dem Xerqe beerdigt.
10.
Micewir
Micewir sind Wächter und Pfleger der Heiligtümer, nehmen aber auch in den Dörfern die Aufgabe als Helfer und
Berater wahr. Sie sind dort auch als Priester tätig.
11. Kebanî
Der Rang der Kebanî ist der höchste, den
eine Frau in der religiösen Hierarchie belegen kann. Kebanî sind angehörige eines Frauenorden im Heiligtum Lalis dem nur Frauen
beitreten können, die nie gegen die religiösen Regeln verstoßen haben. Diese Frauen leben dort auf Lebzeiten im Zölibat und
sind für die Erhaltung der Tempel verantwortlich. Sie kümmern sich dort um die Haushaltsführung, den Gästen und sind so etwas
wie Haushälterinnen im Heiligtum. Kebanî kann jede Yezidin werden, die von mindestens zwei lokalen Priestern befürwortet wurde.
12.
Murîd
Die Murid stellen die unterste aller Kasten. Sie sind verpflichtet den für sie zuständigen Scheich und Pîr zu
folgen. Die Zuständigkeit der einzelnen Scheichs Pîrs für den einzelnen Muridclans wurde schon zur zeit Scheich Adis festgelegt.
Es ist den Murid nicht möglich gewesen den Scheich oder Pîr zu wechseln. In der heutigen Zeit kann es aber dennoch zu entsprechendem
Wechsel kommen, wobei dabei berücksichtigt werden muss, das der Scheich oder der Pîr aus der richtigen Unterkaste ist. Dieser
Wechsel ist aber eher selten und wird von der Gesellschaft nicht gerne gesehen.
1.3.2 Regeln und Rituale
Die
yezidische Gesellschaft ist von vielen Regeln und Ritualen geprägt denen folge geleistet werden muss. Ein Verstoß gegen die
Regeln kann entsprechende Folgen haben, auf die ich am Beispiel der Heiratsregel Nachfolgend näher eingehen will.
1.3.2.1.
Rituale
In der Zeit vom siebten bis zum elften Lebensmonat müssen die Söhne durch die Rituelle Haarbeschneidung (Bisk),
was fälschlicherweise oft mit Taufe bezeichnet wird, in die yezidische Gesellschaft aufgenommen werden. Dabei schneidet der
Scheich der Familie dem Jungen drei Haarlocken ab und spricht dabei das Gebet des Bisk auf. Auf Grund der Tatsache, das den
Mädchen das schneiden ihrer haare verboten ist wird die Bisk bei den Mädchen nicht durchgeführt. Das Ritual der Beschneidung
der Söhne, was in der Regel im frühen Kindesalter durchgeführt wird, ist ein Ritual, das Ähnlichkeiten mit der Beschneidung
im Islam hat und auch oft darauf zurückgeführt wird. Durch die Unterdrückung durch das islamische Umfeld wurden im Laufe der
Zeit viele Grundelemente anderer Religionen übernommen. Jeder Murid muss mit dem Eintritt in die Geschlechtsreife einen Bruder
oder eine Schwester aus einer Scheich- oder Pîrkaste für das Jenseits wählen, der/die eine evtl. Sündenlast im Jenseits mit
trägt. Diese "Brüder" oder "Schwestern" haben unter anderem die Aufgabe am Totenbett gemeinsam mit dem Scheich der/des Sterbenden
für diesen zu beten.
Ein weiteres sehr wichtiges Ritual stellt die Bestattungszeremonie dar. Die Bestattungszeremonie
soll nicht nur das Ende vom Leben, sondern auch gleichzeitig der Anfang der Reinkarnation sein. Dabei wird der Tote so beerdigt,
das die mitbegrabenen Steine beim zuschütten des Grabes auf den Toten fallen, damit sich sie Seele vom Körper lösen kann.
Dieses Ritual wird beispielsweise bei in der Bundesrepublik Deutschland beerdigten nicht mehr in vollem Umfang traditionsgemäß
durchgeführt. So werden die traditionellen Gebete gesprochen nachdem der Sarg mit Erde bedeckt ist, bzw. das Grab zugeschüttet
ist.
Zu den Regeln und Ritualen gehören auch, das die Yeziden zu den Feiertagen im Winter in drei Wochen neun Tage
Fasten müssen und dabei von Sonnenaufgang bis zum Untergang der Sonne nichts essen und auch nicht trinken dürfen. Diese Pflicht
wurde wie mir bekannt ist zur Zeit der Reform, durch Scheich Adi eingeführt (vgl. dazu auch Kizilhan 1997).
Einer der
Wichtigsten Feiertage der Yeziden ist der Rote Mittwoch, welcher jedes Jahr der erste Mittwoch im Monat April nach dem yezidischen
Kalender ist. Der Sage nach soll sich Taus î Melek an diesem Mittwoch Gott offenbart und Gott als sein Oberhaupt anerkannt
haben, worauf Gott ihm die Macht über Leben und Tod auf der Erde verliehen hat.
Den Regeln Scheich Adis nach muss jeder
Yezide auch wenigsten ein mal in seinem Leben das Heiligtum "Lalis" in der Nähe von Mosul besucht haben.
1.3.2.2.
Heiratsregeln
Durch die endogame Kastenregelung ist es den Yeziden nur gestattet innerhalb der eigenen Kaste zu heiraten.
Eine Heirat außerhalb der yezidischen Gesellschaft, bzw. außerhalb der eigenen Kaste wird mit dem Ausstoß aus der yezidischen
Gesellschaft bestraft. Es gab bis vor einigen Jahrzehnte auch die Fälle, das "Abtrünnige" mit dem Tod bestraft wurden. Das
ist aber eine Praxis, die auf Grund der Lebenssituationen in der Ferne glücklicherweise nicht mehr zur Einstellung unserer
Gesellschaft gehört und ich glaube auch nicht das es einen solchen Fall in der Zukunft wieder geben wird. Der letzte mir bekannte
Fall der Tötung ist 1993 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gewesen. Eine Sache, die mir bis heute nicht aus dem
Kopf geht, weil die eigentlichen Schuldigen ungestraft davon gekommen sind. Heute ist es die Regel, das die,die außerhalb
der Gesellschaft heiraten zu mindest anfänglich aus der Gesellschaft verbannt und teilweise nach einiger Zeit wieder akzeptiert
werden.
Weiter ist es auch verboten den Bruder oder die Schwester für das Jenseits zu heiraten weil diese mit leiblichen
Geschwistern gleichgestellt werden, bzw. auch nicht zur eigenen Kaste gehören.
Weil viele davor Angst haben ausgestoßen
zu werden, wurde bis vor einigen Jahren noch verschärft innerhalb der eigenen Verwandtschaft geheiratet. Teilweise wurden
die Kinder auch schon im Kindesalter einander versprochen. Somit hatten diese Jugendlichen später keine Möglichkeit diesen
für sie so wichtigen Schritt selber zu entscheiden. Es gibt viele Jugendliche die mit dieser Praxis nicht zurecht kamen und
aus der Gesellschaft ausbrachen um einer Zwangsheirat zu entgehen. Der Tradition nach muss für die Braut ein Brautgeld (Qelend)
entrichtet werden. Zur Zeit, als die Yeziden noch in ihrer Heimat lebten entsprach dieses Brautgeld einem verhältnismäßig
geringen Betrag, welcher auch in Naturalien, bzw. Edelmetallen entrichtet werden konnte. In den vergangenen Jahren hat es
innerhalb der yezidischen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland einen rasanten Anstieg dieses Brautgeldes gegeben.
So gab es Fälle, in denen es ein Brautgeld von bis zu140.000,00 DM gezahlt werden musste. In den letzten Jahren haben sich
verstärkt Jugendliche, zum Teil erfolgreich, gegen eine solche Zwangsabgabe gewehrt. Viele Clans sind mittlerweile dazu übergegangen
kein Brautgeld mehr zu verlangen oder zu empfangen. In einigen wenigen Fällen wird, um der Tradition gerecht zu werden, ein
Symbolischer Betrag von wenigen Hundert Euro vereinbart. Mîr Tahsim, auch Tahsim Beg genannt hat als führender Mîr (Fürst)
der Yeziden das Brautgeld 1997 für schlecht und somit für sündhaft erklärt.
1.4. Die Reform
Wie lange
es die Yeziden schon gibt ist unklar. Sicher gab es das Volk der Yeziden und die Ansätze ihrer Religion schon lange vor der
Reform des Heute bekannten Yezidentums. Aus verschiedenen Gesprächen, die ich mit Angehörigen der yezidischen Gesellschaft
geführt habe konnte ich heraushöre, das sich die Anhänger dieser Religion auch in dem Punkt der Reform und der Umstrukturierung,
die Anfang des 12 Jhdt. Statt fand nicht einig sind. Einige beschreiben, das der Reformator der Religion vom Ursprung her
schon Yezide gewesen ist und andere wiederum sind der Ansicht er wäre ein Anhänger des Sufismus gewesen. Das er ein Anhänger
des Islam gewesen sein soll wird von der yezidischen Bevölkerung nicht akzeptiert, ob wohl vieles dafür spricht.
Scheich
Adi bin Musafir (ca. 1070 - ca. 1160 n. Ch.) Emigrierte in jungen Jahren nach Bagdad und kam aus Syrien, was schon ein Zeichen
dafür sein kann das er eigentlich nicht Yezide war. Nach seiner Aufnahme in den Sufi-Orden in Bagdad blieb er eine Zeit dort
und ließ sich in den Sufismus unterweisen. Erst einige Zeit später entschloss er sich in die Berge von Hakkari zu reisen und
blieb dann im Tal Lalis das er durchqueren musste. Bis auf zwei kurze Reisen blieb Scheich Adi bis zu seinem Tod Mitte des
12. Jhdt. in Lalis und gab sich dem Gebet.
In Lalis, bzw. in der Nähe von Lalis lernte er auch den Prinzen der Yeziden
Scheich Schems kennen, den er überzeugte nicht zu sehr an materiellen Gütern zu hängen. Scheich Schems verteilte darauf hin
seine Ländereien und seinen Besitz unter dem Volk und übertrug Scheich Adi die Oberste Autorität über die Yeziden. Es dauerte
mehr als Zehn Jahre bis die Lehren von Scheich Adi vom Volk anerkannt wurden (vgl. Kizilhan 1997). Er wurde als sehr gütiger
Mensch beschrieben der mit den Toten sprechen und auch Wunder vollbringen konnte.
Dadurch, das Scheich Adi niemals
geheiratet hatte gab es auch keine Kinder, die seine Nachfolge hätten antreten können. Nach seinem Tod übernahm sein Neffe
Scheich Berakat und später dessen Sohn die Autorität als Oberhaupt der Yeziden. Zu Beginn des 13. Jhdt., also, 1217 übernahm
sein Sohn Scheich Hasan wiederum die Führung der yezidischen Bevölkerung. Auf Grund der Führungsansprüche der Nachfahren des
Scheich Schems kam es später zu blutigen Auseinandersetzungen um die Herrschaft über die Yeziden, wobei Angehörige der Fürstenfamilie
Khurasan aus einem Gebiet im heutigen Iran die Gelegenheit nutzten und die Führung übernahmen.
Die Yeziden wissen größtenteils
nicht wer Scheich Adi gewesen ist. Sie wissen nur das er die Religion und damit die Gesellschaft reformiert hat. Die meisten
Anhänger des Yezidentums akzeptieren beispielsweise auch nicht das der als Prophet verehrte Reformator höchstwahrscheinlich
ein Anhänger des Islam gewesen ist. Diese Reform und die Daraus resultierenden Ergebnisse lassen aber auch denn Schluss zu,
das man von Bagdad her versucht hat die yezidische Gesellschaft zu vernichten, indem man ihnen einfach nur neu, strengere
Regeln auferlegt und diese als Religion anpreist. Das ist eine Auffassung, die viele Yeziden, besonders Angehörige der Scheichkasten
teilen aber nicht offen äußern.
1.5. Siedlungsgebiete
Da es, wie schon vorab erwähnt, über die Yeziden
und die yezidische Religion nur sehr wenig Literatur gibt und viele Hypothesen bezüglich dieser Gemeinschaft aufgestellt wurden
und noch werden, ist es sehr schwierig die genaue regionale Zugehörigkeit dieses Volkes zu bestimmen. Aus diesem Grund kann
ich mich hier im wesentlichen nur auf die Daten und Angaben der letzten 100 Jahre berufen. Sicher ist, das der historische
Ursprung in Mesopotamien liegt, wobei nicht genau bestimmt werden kann ob die Yeziden zu Anfang in ganz Mesopotamien verstreut,
oder nur in Mittel- und Nordmesopotamien angesiedelt waren.
Die Siedlungsgebiete der Yeziden umfassen heute die Regionen
des Nordöstlichen Syriens, der Südöstlichen Türkei und den Norden des Irak, wo auch das Hauptsiedlungsgebiet und das Heiligtum
Lalis liegen (vgl. Kizilhan 1997; Bulut 2000; Nippe 2002). Durch Migration und Auswanderung innerhalb der vergangenen 100
- 150 Jahren können aus heutiger Sicht auch Armenien und Georgien als Siedlungsgebiete der Yeziden gesehen werden. Innerhalb
der letzten 20 - 25 Jahren hat sich eine regelrechte Massenauswanderung der yezidischen Bevölkerung entwickelt. Anfänglich
aus der Türkei und später aus Syrien und dem Irak, haben die Menschen ihre Heimat verlassen und sind nach Europa (hauptsächlich
in die Bundesrepublik Deutschland) Emigriert, worauf ich aber im Nachfolgenden noch näher eingehen werde.
Genau so
wie bei den meisten anderen Punkten dieser Gesellschaft gibt es auch bei der Mitgliederzahl keine genauen, oder verlässlichen
Angaben. Heute wird vermutet, das es weltweit noch annähernd 500.000 Anhänger dieser alten Religion gibt (vgl. Kizilhan 1997;
Bulut 2000; GfBV). Genaue Angaben da drüber gibt es nicht. Das resultiert aus der Ursache, dass das Yezidentum nach staatlicher
Auffassung der ursprünglichen Siedlungsländer der Yeziden nicht existierte, bzw. nicht existiert oder nur als vom Islam abtrünnige
Sekte angesehen wurde und wird. Angaben der Gesellschaft für Bedrohte Völker zu folge lebten in den vergangenen Jahren ca.
400.000 Yeziden im Irak, etwa 30.000 in Syrien, schätzungsweise 30.000 in Armenien und Georgien und rund 130.000 in den türkischen
Provinzen Diyarbakir, Urfa, Batman und Mardin. Sechs yezidische Dörfer sollen sich laut der Gesellschaft für Bedrohte Völker
im Südiran bei Kermanschah befinden, wobei über die genaue Mitgliederzahl dort keine Informationen vorliegen (vgl. Nippe 2002).
Durch die andauernde Migrationsbewegung der yezidischen Bevölkerung können diese Zahlen aber nicht mehr als aktuell gesehen
werden. Meiner Ansicht nach kann die Zahl der Yeziden heute nur auf maximal 250.000 - 300.000 beziffert werden, wenn berücksichtigt
wird das Angehörige die gegen verschiedene Regeln verstoßen haben auch nicht mehr als Yeziden gesehen werden. Eine bedeutende
Zahl der Yeziden leben zur zeit in Europa hauptsächlich auf Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz
und besonders der Bundesrepublik Deutschland verteilt. Einige wenige leben auch in Schweden, Dänemark, Österreich und in außereuropäischen
Staaten.
Wenn berücksichtigt wird, das der größte Teil der kurdischen Bevölkerung bis zur Zwangsislamisierung ab dem
7. Jhdt. und späteren Zwangschristianisierung durch die Armenier dieser Religion angehörten und sich heute nur ein Bruchteil
der kurdischen Bevölkerung als Yeziden bezeichnen, so ist dies eine Entwicklung die den Schluss zulässt, das dieses Volk durch
die Dezimierung nur noch eine geringe Grundlage zum Überleben
1.6. Emigration
Ich bin Fremd, dort
wo ich geboren bin, dort wo ich aufgewachsen bin, bin ich es auch....
Bedingt durch viele verschiedene Gründe
ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Auswanderungen innerhalb der yezidischen Bevölkerung gekommen. So sind einige
Tausend Yeziden um die Jahrhundertwende nach Armenien und Georgien ausgewandert, weil sie damals hofften, dort ein besseres
Leben führen zu können. Aber auch die Verfolgung, unter der die Yeziden zu leiden hatten, war der Grund für die Emigration
die innerhalb der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte stattgefunden hat.
Der letzten großen Migrationbewegung sollten,
so die Yeziden, keine weiteren folgen, als sie teilweise freiwillig, teilweise auch unter dem Druck der Verfolgung in die
verschiedenen Europäischen Länder Emigrierten. Die Yeziden, die ab Anfang der 70'er im Rahmen der Anwerbung der Gastarbeiter
in die Bundesrepublik Deutschland reisten hatten feste Vorstellungen was sie hier wollten. Sie hatten die Absicht, einige
Jahre zu arbeite, genug Geld zu erwirtschaften und anschließend wieder in ihre Heimat (Südosttürkei) zurück zu kehren. Später,
ab Ende der 70'er Jahre, begann der eigentliche Migrationsprozeß der yezidischen Bevölkerung. In der Hoffnung ihre Religion
und Traditionen schützen und offen Leben zu können, begannen einige Einzelne Personen, die besonders stark unter der Verfolgung
durch, vorwiegend muslimische Mitmenschen, zu leiden hatten nach und nach ihre Dörfer, teilweise in Nacht- und Nebelaktionen
zu verlassen um ins Ausland zu gelangen. Viele von ihnen kamen damals, wie die Gastarbeiter unter den Yeziden auch, hauptsächlich
in die Bundesrepublik Deutschland, vorwiegend in die Kreise Celle und Burgdorf. In diesen Kreisen, aber auch in anderen Regionen
der Bundesrepublik, stellten diese Flüchtlinge dann Asylanträge, die Anfang der 80'er Jahre teilweise abgelehnt wurden, weil
eine Verfolgung dieser Ethnie, aus Sicht der Bundesdeutschen Gerichte nicht nachgewiesen werden konnte. Teilweise war das
Problem aber auch, das die Gerichte die Yeziden nicht kannten, bzw. nicht genug Informationsmaterial über dieses Volk hatten.
Seit 1985 haben die Yeziden angefangen ihre Heimat systematisch zu verlassen. Anfangs aus der Türkei und später auch aus Syrien,
dem Irak und den Republiken der damaligen UdSSR. Anfangs war es nur ein Hoffnungsschimmer, den die Yeziden gesehen haben.
Sie wollten ihre Religion leben, wie jedes andere Volk auch. Später ging es um die Frage des überleben. Um bestimmte Traditionen
und Riten ausüben zu können fehlten teilweise die entsprechenden Würdenträger, weil diese mittlerweile nach Europa emigriert
waren. Ein Grund für diesen zwanghaften Wahn des Folgen besteht in der endogamen Kastenstruktur der yezidischen Religion.
Ein weiterer Grund war für viele der wirtschaftliche Faktor.
Die Yeziden lebten überwiegend von der Landwirtschaft
und waren von den, überwiegend muslimischen, Großgrundbesitzern abhängig. Das, was die verdienten reichte oftmals nicht den
Unterhalt der Familie aus. Man erhoffte sich ein Leben im Wohlstand, wenn die Grenze zu Europa und somit zur BRD überschritten
wurde. Den Wohlstand und das Ziel der Bildung, was den Yeziden in ihrer Heimat auch nicht möglich war, haben sie hier erreichen
können. Nach einiger Zeit stellten aber einige fest, das sie ihre Religion auch hier nicht so leben konnten, wie sie es gelernt
hatten. Das lag nicht daran, das sie es durften weil es vielleicht verboten ist. Nein, mehr war es der Aspekt der Fremde und
der fremden Kultur. Viele Yeziden, besonders die der ersten Generation hatten und haben teilweise immer noch Schwierigkeiten
mit der anderen Kultur zurecht zu kommen. Für die heutige Jugend ist es teilweise leichter, aber teilweise auch schwieriger
mit dieser Fremde zurecht zu kommen. Diese Jugend, die die eigentliche Heimat der Yeziden größtenteils nur aus Erzählungen
und Bildmaterial kennt soll sich heute einerseits der Kultur ihrer Eltern und andererseits der hiesigen Kultur anpassen.
Seit
Ende der 80'er Jahre, bzw. seit 1993 wird den Asylanträgen von Yeziden, die ihre Religionszugehörigkeit und Herkunft nachweisen
können stattgegeben, weil der Völkerrechtliche Status und somit auch der Tatbestand der Verfolgung anerkannt werden.
Anfang
der 90'er Jahre haben die ersten Angehörigen der yezidischen Religionsgemeinschaft damit begonnen ihren Migrationsprozeß damit
zu beenden, das sie auch angefangen haben ihre Toten hier in der Bundesrepublik zu begraben. In Lahe, einem Stadtteil von
Hannover wurde damals erstmalig auf einem Friedhof (Stadtfriedhof Lahe) ein Sektor für die Begräbnisse der Yeziden freigegeben.
Dem folgte wenige Jahre später ein weiterer Friedhof in Wesel, in Nordrhein-Westfalen.
Wenn man heute die Yeziden fragen
würde wo ihre Heimat sei, so antworten die meisten, vorwiegend jüngeren, ihre Heimat sei hier.
3.
Lebenssituation von yezidischen Jugendlichen
3.1. Leben in der BRD; Leben zwischen Zwei Welten
In den ersten
Jahren der Emigration hatten unsere Jugendlichen noch verhältnismäßig wenig "Probleme" sich in beiden Gesellschaftskreisen
zurecht zu finden. Damals genossen die Jugendlichen noch den "Schutz" der Familie und der Gesellschaft. In den Köpfen der
Jugendlichen war noch die Mentalität Herkunftsheimat sehr stark verankert.
Heute, in der Zeit in der hier die Jugendlichen
teilweise in der dritten Generation leben, durchleben diese eine immer stärker werdende Zerrissenheit zwischen beiden Gesellschaftsstrukturen.
Auf der einen Seite ist die Familie und die yezidische Gesellschaft, die auf die Einhaltung der Regeln und Bräuche besteht.
Auf der anderen Seite ist die Lebenssituation in einer Gesellschaft in der die Jugendlichen aufgewachsen und ausgebildet werden,
die aber auch eine Integration und eine gewisse Assimilation fordert. Den Jugendlichen sind von der eigenen Familie und der
entsprechenden Gesellschaft immer nur Tabus und Verbote auferlegt und nicht die positiven Seiten unserer Religion vermittelt
worden. Andererseits sehen diese Jugendlichen natürlich die Vorzüge die sie in der freien deutschen Gesellschaft haben. Sie
müssen sich anpassen um im schulischen und auch im beruflichen weiter zu kommen. Dieses wird durch die von der yezidischen
Gesellschaft vermittelten Verbote und Tabus in erheblichem masse erschwert bzw. unmöglich gemacht. Besonders schwierig haben
es die Mädchen bzw. die Angehörigen der höheren Kasten. Bei den Mädchen ist es vorrangig die Jungfräulichkeit, auf die im
Rahmen der Heiratsregeln sehr viel Wert gelegt und bei den Angehörigen der höheren Kasten ist es die sogenannte Vorbild-Funktion
auf die besonders geachtet wird.
Viele Jugendliche, die mit diesem Konflikt nicht mehr klar kommen verlassen die yezidische
Gesellschaft, und somit ihre gesamte Familie. Sie brechen sozusagen aus der Gesellschaftsstruktur aus um einen eigenen Weg
zu gehen. Einigen geling dieses, andere wiederum schaffen diesen Absprung nicht und erleiden psychische Kriesen. Sie leiden
so sehr darunter, das sie Krank werden, sich kaputt Hungern oder auch teilweise zu Drogen greifen. Diesen jugendlichen muss
natürlich geholfen werden, weil nur die wenigsten diesen Absprung aus eigener Kraft schaffen.
Der Grund für das Handeln
der Gesellschaft liegt hauptsächlich in der existenziellen Angst. Die ältere Generation befürchtet das die Gesellschaft zerfallen
könnte, wenn die Jugendlichen zu sehr "frei gelassen werden". Das sie damit eigentlich genau das Gegenteil erreichen ist ihnen
nicht bewusst. Teilweise kann man es den "Älteren" auch nicht zum Vorwurf machen, denn sie haben es leider nur so gelernt.
Die Lebenssituation der jungen Yeziden ist aber nicht nur von negativen Aspekten geprägt. Innerhalb der vergangenen Jahre
konnte ein sehr hoher Anstieg an Schul- und Berufsabsolventen verzeichnet werden. Immer mehr yezidische Jugendliche beginnen
hier in Deutschland ein Studium und streben einen beruflichen Aufstieg an.
Heute sieht die Situation der Jugendlichen,
zu mindest nach Außen, eher gemäßigt aus. Die wenigsten wollen über familiäre Probleme reden. Teilweise liegt es da daran,
das sie Angst davor haben durch die Offenbarung ihrer Probleme Stigmatisiert zu werden, teilweise aber auch daran, das sie
innerhalb der yezidischen Gesellschaft ihren eigenen Weg gehen. "Ein Weg in Ungewisse", sagte mir vor einigen Monaten eine
yezidische Jugendliche, die mittlerweile (wie ich es vorab schon beschrieben habe), um einem Zusammenbrechen unter dem Druck
der Gesellschaft vorzubeugen, aus dieser ausgebrochen ist. Sie hat sich, wie mir bekannt ist, durch Hilfe von Freunden, ein,
wie sie es bezeichnet, neues Leben aufgebaut. Ein Leben in Hoffnung, aber auch ein Leben mit dem Gedanken des Ungewissen.
Den Kontakt zu ihrer Familie würde sie gerne wieder aufnehmen, nur will sie schon aus Furcht vor unüberlegten Racheakten von
Verwandten ihren jetzigen Bleibeort nicht preisgeben. Im Januar 2003 erschien im Magazin Spiegel ein Bericht mit dem Titel
"Jagd auf Sükrüya". Dieser Artikel entsprach in einigen Punkten nicht der Realität, was aber nicht bedeutet das Sükrüya nicht
wirklich auf der Flucht gewesen ist. Mit diesem Fall habe ich mich auch eine geraume zeit beschäfftig und dabei immer wieder
feststellen müssen, das die Gesellschaft derartige Geschehnisse wie das Ausbrechen von Jugendlichen aus der Gemeinschaft gerne
verschweigt oder nur lückenhaft bestätigt. Die Informationen die dann aber zu Grunde gelegt werden sind immer mit Vorsicht
zu genießen, denn wie viel daran wahr ist und wie viel nicht können nur die Jugendlichen sagen, die den Schritt des Ausbrechens
gewagt haben.
Im Punkt eins dieser Hausarbeit habe ich beschrieben, das die Akzeptanz einer Person, die gegen Regeln
verstoßen hat von der gesellschaftlichen Stellung abhängig ist. In einigen Fällen weiß ich das der Sohn der durch seine Heirat
mit einer Nichtyezidin gegen die traditionellen Regeln verstoßen hat nach einiger Zeit sowohl von der eigenen Familie alsauch
von der Gesellschaft wieder "akzeptiert" wurde. Diese Begebenheit soll aber nicht bedeuten, das die Sohne grundsätzlich eine
sichere Akzeptanz in der Gesellschaft genießen. Mehr spricht dieses für einen familiären Zusammenhalt. Derartige Fälle gab
und gibt es auch bei jungen yezidischen Frauen, die die Bindung zur eigenen Familie trotz des Drucks der strengen Regeln nicht
verlieren wollten. Teilweise liegt es aber nicht nur an der Einstellung der Familie der Jugendlichen, wie im Fall Sükrüya,
das diese nicht mehr in der Gesellschaft aufgenommen werden. Einige Jugendliche wollen nach dem Ausbrechen mit der eigenen
Gesellschaft und den Mitgliedern der yezidischen Gemeinde keinen Kontakt mehr pflegen, weil diese Angst davor haben wieder
in den Bann der religiösen Regeln zu fallen oder stigmatisiert werden, wie am Beispiel Dilber. Ich nenne dieses Mädchen an
dieser Stelle Dilber um, für den Fall das Dritte diese Hausarbeit lesen, die Anonymität ihrer Person zu wahren. Dilbers Eltern
stammen aus einem Dorf im Südosten der Türkei und sind als Gastarbeiter in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sie
ist in Celle geboren und aufgewachsen und war durch ihre Wohnlage sehr viel Zeit mit yezidischen Jugendlichen verbracht. Trotz
oder auch gerade wegen ihrer, im Verhältnis zu anderen yezidischen Jugendlichen, relativ liberalen familiären Erziehung kam
sie als junges Mädchen nicht mehr mit dem Konflikt der zwei Kulturen zu recht. Darauf hin entschloss sie sich 1998 aus der
yezidischen Gesellschaft auszubrechen und wollte mit dieser Gesellschaft nichts mehr zu tun haben. Auch auf mein Angebot sie
außerhalb der yezidischen Gemeinde zu unterstützen, meine Einstellung ihre Situation betreffend war ihr bekannt, reagierte
sie nicht. Zur Begründung ließ sie mich wissen, das sie mit keinem Yeziden etwas zu tun haben wolle. Welche Einstellung, Auffassung
oder gesellschaftliche Position dieser auch haben möge.
Ein sehr wichtiger Punkt, die Lebenssituation der Jugendlichen
betreffend, ist das Gebot der Jungfräulichkeit, was ich vorab schon kurz beschrieben habe. Viel, besonders junge Mädchen/Frauen
haben das Problem, das sie vor ihrer Heirat gegen dieses Gebot "verstoßen" haben. Auch das ist teilweise ein Grund die Familie
zu verlassen weil diese Angst vor dem haben, was evtl. Geschehen könnte, wenn das raus kommt. Die Jungfräulichkeit wird durch
das vorzeigen des blutigen Lacken in der Hochzeitsnacht überprüft. Bei den Jungen, die ebenfalls an dieses Gebot gebunden
sind, kann dieses nicht überprüft werden, deshalb ist das eine Sache in der diese keinen persönlichen Konflikt sehen. Ich
habe viele Mädchen kenngelernt, die kurz vor der Hochzeit noch "schnell" von einem Arzt einen kleinen chirurgischen Eingriff
haben vornehmen lassen um der Stigmatisierung und der Ausgrenzung zu entgehen. Das gebot der Jungfräulichkeit ist meines Erachtens
nicht zeitgerecht und die Einhaltung dieses Gebotes sollte den Einzelnen überlassen werden.
4. Fazit
"Gegenseitige
Toleranz von jung und Alt ist gefordert" schrieb Dilber Ekinci in einem Artikel in der Broschüre "Dengê Êzdîyan". Das ist
auch der Punkt, an dem ich ansetzen will. Toleranz ist gerade in einer Religionsgemeinschaft wie der unseren sehr wichtig.
Das Yezidentum ist eine auf den Menschen ausgerichtete Religion, die den Anhängern unter gewissen Rahmenbedingungen auch sehr
viel Freiheit erhält. Aber gerade durch die falsche Auslegung dieser Rahmenbedingungen, die dadurch zustande kommt weil es
nur eine mündliche Überlieferung gibt, kommt es gerade innerhalb dieser Freiräume zu Konflikten, die diese jugendlichen nicht
verarbeiten können.
Diesen Jugendlichen fehlt es an professioneller Hilfe, die sich aber auch mit den Gesellschaftsstrukturen
auskennen muss, wie Katharina Nippe es in ihrer Diplomarbeit richtig festgestellt hat.. Die meisten Jugendlichen haben aber
auf der anderen Seite auch Hemmungen davor sich Beispielsweise einem yezidischen Berater anzuvertrauen, wie die befragten
yezidischen Mädchen es in dem Interview offen sagten (vgl. Nippe 2002).Diese Befragten gaben an, das dieser oder diese ihre
Probleme in der yezidische Gesellschaft breittreten oder die Hilfe suchende Person in einem falschen Licht betrachten und
somit Stigmatisieren könnte. Hier ist meine Überlegung, worüber ich schon seit langer Zeit schon nachdenke, für diese Jugendlichen
eine mit, sich in dieser Gesellschaft auskennenden Fachleuten besetzten Anlaufstelle zu gründen die sie vollkommen anonym
kontaktieren können, um mit ihren Problemen nicht allein zu sein, bzw. fachkundige Hilfe zu bekommen.
Ein sehr Großes
Problem innerhalb der Religionsgemeinschaft sind auch die, wie schon erwähnt, mündlich Überlieferten Regeln dieser alten Religion.
Vieles ist heute nicht mehr zeitgemäß und muss überarbeitet, bzw. umstrukturiert werden. Besonders die Heiratsregeln sehe
ich als eine sehr große Gefahr für den Fortbestand dieser Gesellschaft. Eine Unterkaste der Pîr, die in Syrien ansässig sind
beispielsweise ist heute schon vom Aussterben bedroht. Da währe zu überlegen ob nicht gerade in diesem Bereich eine Reform
nötig ist. Um das Aussterben der Qewals zu verhindern wurde 1950 durch eine kleine Reform beschlossen das diese innerhalb
der Murid Kaste heiraten dürfen. Das ist eine Maßnahme, die für alle Kasten und Unterkasten unserer Gesellschaft eingeführt
werden sollte um den Fortbestand zu sichern. Weiter sollte, meiner Ansicht nach, genau so wie in den meisten anderen Weltreligionen
die Möglichkeit bestehen auch als Nichtyezide in die yezidische Gemeinschaft hinein zu heiraten. Die Maßnahme, das jeder/jeder
der oder die außerhalb der yezidischen Gesellschaft heiratet nicht mehr als Yezide gesehen wird führt, gerade in der heutigen
Zeit, zu einer starken Dezimierung der Mitgliederzahl. Das würde, so denke ich, dazu führen, das sich viele yezidische Jugendliche
offen zum Partner, sei es jemand außerhalb der Gesellschaft oder ein Angehöriger einer anderen Kaste, bekennen und die Beziehung
nicht mehr im Verborgenen praktizieren. Einem Ausbrechen aus der Gesellschaft währe damit im wesentlichen Umfang vorgebeugt.
Sicher kann ein Ausbrechen nie im vollen Maß verhindert werden, weil es immer irgend welche Probleme geben wird, mit denen
die Jugendlichen nicht zurecht kommen. Das währe aber dann der Punkt, an dem wir (angehende) Sozialarbeiter ansetzen könnten.
Die Jugendlichen währen dann gleich unter Gleichen innerhalb von mehreren Gesellschaften die wiederum nur eine Einzelne ist.